9. FENS Forum of Neuroscience

7. Juli 2014

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München sprechen über den Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und stressbedingten Erkrankungen sowie über den Einfluss von schlechten Erfahrungen während der Kindheit auf die Stressempfänglichkeit im späteren Leben.

Können Schlafprobleme eine Depression vorhersagen?

Schlafprobleme sind ein Kennzeichen von Depression. Die meisten Patienten, die an stressbedingten Krankheiten wie z. B. Befindlichkeitsstörungen leiden, berichten außerdem von Schlafproblemen. Schlafstörungen im Rahmen einer Depression stehen mit einem erhöhten Anteil an REM-Schlafphasen in Verbindung, was zu weniger tiefem Schlaf und früherem Erwachen führt. Durch eine Beeinträchtigung des Schlafes wird zudem im menschlichen Körper eine erhöhte Menge des Stresshormons CRH produziert.

Mayumi Kimura vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München hat sich gefragt, ob Befindlichkeits- und Schlafstörungen auf die gleichen Ursachen zurückzuführen sind. Ihr Team hat untersucht, welche Veränderungen im REM-Schlaf mit Stress oder Angststörungen in Verbindung stehen könnten. Dabei haben die Forscher den Schlaf und das Verhalten von speziell genetisch veränderten Mäusen beobachtet, gemessen und analysiert. Einige Mäuse haben das Stresshormon CRH in bestimmten Bereichen des Gehirns übermäßig produziert, andere Mäuse zeigten besonders ängstliches Verhalten. Die Wissenschaftler haben außerdem untersucht, bei welchem Tiermodell Kennzeichen für Schlafstörungen auftreten und ob dieses im Weiteren zur Erforschung von molekularen Ursachen von Schlaf- und Befindlichkeitsstörungen verwendet werden könnte.

Die Forschung an Mäusen hat bisher gezeigt, dass Veränderungen im REM-Schlaf stark mit Befindlichkeitsstörungen korrelieren. Außerdem konnte aufgezeigt werden, dass das Stresshormon CRH und Ängstlichkeit, die bereits beide unabhängig voneinander mit Schlafstörungen in Verbindung gebracht worden waren, Schlafmuster im REM-Schlaf direkt beeinflussen.

„Wie also passt das alles zusammen und was bedeutet es für den Menschen?“ fragt Mayumi Kimura. „Personen, die von chronischen Schlafstörungen betroffen sind, könnten anfälliger für Depression sein.“ Wenn veränderte Schlafmuster bereits vor den Symptomen einer Depression auftreten, dann könnte ein tiefgründigeres Verständnis dieser Zusammenhänge vielleicht die Vorhersage für eine mögliche Erkrankung verbessern. Die Ergebnisse von Mayumi Kimura könnten also für die Erforschung des REM-Schlafes der Menschen wichtig sein und die Voreinschätzung der Anfälligkeit oder des Therapieerfolges bei Depression verbessern.


Kann einen Stress in der Kindheit stärker machen?

Durch widrige Erfahrungen in der Kindheit können lang anhaltende Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden, die das Lernverhalten und Gedächtnis betreffen und zu verschiedenen Erkrankungen führen können. „Bisherige Untersuchungen an Menschen haben angedeutet, dass Stress in der Kindheit generell mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen wie Depression in Verbindung steht“, erklärt Mathias Schmidt vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. „Aber nicht jeder, der in seiner Kindheit schlechte Erfahrungen gemacht hat, erkrankt an einer Befindlichkeitsstörung. Manche Personen sind weniger stressempfindlich als andere.“ Demnach müssten also zusätzliche Faktoren, wie z. B. das genetisch bedingte Risiko oder die private oder berufliche Umgebung des Erwachsenen in Bezug auf die Kindheitserfahrungen, berücksichtigt werden.

Verhaltensexperimente und molekulare Untersuchungen bei Mäusen haben Hinweise darauf geliefert, dass Mäuse mit einem bestimmten genetischen Hintergrund besser mit Stress im Erwachsenenalter umgehen konnten. Schlechte Erfahrungen in Maßen während der Entwicklung haben zu einer verbesserten Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress in ausgewachsenen Mäusen geführt. Aber Mäuse, die durch ihren genetischen Hintergrund eher stressanfällig waren, wurden durch schlechte Erfahrungen stärker beeinflusst.

„Wenn man unsere Ergebnisse zusammenfassend betrachtet, dann müssen schlechte Erfahrungen während der Kindheit von zwei Seiten her gesehen werden“, erklärt Mathias Schmidt. „Genetisch anfällige Personen, die in ihrer Kindheit Stress ausgesetzt sind, könnten ein erhöhtes Risiko haben, später psychische Erkrankungen zu entwickeln. Aber andere Menschen, die genetisch bedingt weniger stressanfällig sind, könnten durch frühe schlechte Erfahrungen dann im Erwachsenenalter besser gegenüber Herausforderungen gewappnet sein.“ Eine schwierige Kindheit kann Menschen also mehr oder weniger stressresistent machen. „Es gibt kein Allheilmittel gegen schlechte Erfahrungen in der Kindheit“, fasst Mathias Schmidt zusammen, „aber wir fangen an, wenigstens in Mäusen besser zu verstehen, wie sich solche Erfahrungen im Gehirn auswirken.“


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