Nachruf auf Prof. Dr. med. Wilhelm Feuerlein

Am 22. Dezember 2015 starb in München Prof. Dr. med. Wilhelm Feuerlein im 95. Lebensjahr. Wilhelm Feuerlein leitete von 1964 bis zu seiner Emeritierung 1985 die Psychiatrische Poliklinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie)

8. Februar 2016

Wilhelm Feuerlein zählte zu den bedeutendsten und innovativsten Wissenschaftlern der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Alkoholismus- und Suchtforschung.

Aus einer Nürnberger Pastoren- und Juristenfamilie stammend, wuchs Wilhelm Feuerlein in Coburg auf, studierte Medizin zwischen 1939 und 1941 an den Universitäten München, Wien und Würzburg und von 1945 bis 1948 in Erlangen, wo er mit dem Thema „Über eine erscheinungsreiche chronische Psychose bei Verletzung der thalamischen und hypothalamischen Region mit sekundärer Hirnatrophie“ promoviert wurde. Mitte der 1940er Jahre war er für kurze Zeit Assistenzarzt an der damaligen Mittelfränkischen Kreisirrenanstalt Erlangen unter dem bedeutenden Psychiater und Medizinhistoriker Werner Leibbrand (1896-1974) tätig und wechselte später an die Psychiatrische Abteilung des Städtischen Krankenhauses in Nürnberg unter dem Psychiater und Neurologen Walter Ritter von Baeyer (1904-1987), der neben dem Psychiater und Psychotherapeuten Viktor Emil von Gebsattel (1883-1976) zu seinen richtungweisenden Lehrern zählte.

Von 1960 bis 1964 war er als niedergelassener Nervenarzt in Nürnberg und als Konsiliarius am Städtischen Krankenhaus in Fürth tätig, ehe er ans Max-Planck-Institut für Psychiatrie nach München wechselte. Hier leitete er fast 20 Jahre lang die Poliklinik und betreute daneben vier medizinische und zwei chirurgische Kliniken konsiliarisch. Besonders diese Tätigkeit brachte ihn in Kontakt zu einer Vielzahl von Alkoholabhängigen, für die es damals keine ausreichenden Therapiemaßnahmen gab. Wilhelm Feuerlein hatte damit sein wissenschaftliches Lebensthema, die Erforschung der Suchterkrankungen gefunden, nämlich die intensive Auseinandersetzung mit der Epidemiologie, Diagnostik und Behandlung alkoholbezogener Störungen. 300 Originalbeiträge und das deutschsprachige Standardwerk „Alkoholismus – Missbrauch und Abhängigkeit“ (1975)  ließen Wilhelm Feuerlein zum Pionier der Suchtforschung in der alten Bundesrepublik werden.  1968 gelang es ihm, die sozialrechtliche Anerkennung der Abhängigkeitserkrankungen  durchzusetzen und damit die Krankenkassen zur finanziellen Unterstützung von Therapiemaßnahmen zu bewegen.  

Von 1971 bis 1974 war er Mitglied der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestags zur Lage der Psychiatrie in der BRD und ab 1978 Gründungsmitglied und erster Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie. Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie entwickelte er, zusammen mit seinen Mitarbeitern ab 1979 einen auch international anerkannten Standardtest zur Abhängigkeitsdiagnostik MALT (Münchner Alkoholismustest), dem die MEAT-Studie (Münchner Evaluation der Alkoholismus-Therapie) über die Wirksamkeit der stationären Entwöhnungsbehandlung in Deutschland folgte. Hierin wurden die Verläufe von 1500 Patienten in 21 stationären Entwöhnungseinrichtungen im Katamnesezeitraum von 4 Jahren ausgewertet. Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie war durch Wilhelm Feuerlein zu einem Zentrum für die Entwicklung von Testverfahren für Abhängigkeitserkrankungen geworden.

1969 habilitierte Wilhelm Feuerlein an der Ludwig-Maximilians-Universität München und erhielt 1975 die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor.  Die wissenschaftliche Leistung Feuerleins wurde von Fachverbänden und Regierungsstellen vielfach anerkannt und gewürdigt: 1974 erhielt er den Preis der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren, 1985 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz und 1999 der Bayerische Verdienstorden verliehen.

Seit 1994 verleiht die Oberberg-Stiftung Matthias Gottschaldt im Verbund mit der Deutschen Suchtstiftung und der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung den „Wilhelm-Feuerlein-Preis“ für herausragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der substanzgebundener Abhängigkeiten, insbesondere Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit.

Das Max-Planck-Institut für Psychiatrie wird Wilhelm Feuerlein stets ein ehrendes Andenken bewahren.

WB

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