Pränataler Stress begünstigt Heißhungerattacken

Ausgewogene Ernährung schützt vor Essstörung

7. Juni 2017

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben gezeigt, dass Heißhungerattacken, die auf Stress während der Schwangerschaft zurückzuführen sind, schon im Gehirn des Fötus programmiert werden. Entscheidend ist dabei das Geschlecht des Kindes. Die Programmierung führt nicht zwangsläufig zum Auftreten der Essstörung, sie tritt nur unter bestimmten Auslösern auf. Die Forscher fanden ferner heraus, dass der Ausbruch der Störung bei Heranwachsenden durch ausgewogene Ernährung verhindert werden kann.

Heißhungerattacken sind eine verbreitete Essstörung, von der bis zu drei Prozent der Bevölkerung betroffen sind, hauptsächlich Frauen. Die Betroffenen nehmen häufig innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Nahrung zu sich. Das Essverhalten ist zwanghaft, die Patienten geben oft an, sie hätten es nicht unter Kontrolle. Viele Betroffene sind übergewichtig und haben dadurch ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Herzerkrankungen. Häufig leiden Patienten mit Heißhungerattacken auch an Depression und niedrigem Selbstwertgefühl und neigen vermehrt zu Angststörungen.  

Es ist bekannt, dass sich die Lebensumstände der Mutter während der Schwangerschaft negativ auf das spätere Leben des Nachwuchses auswirken und Männer wie Frauen für verschiedene Krankheiten anfällig machen können. Mariana Schroeder, Postdoc in der Forschungsgruppe von Alon Chen und Erstautorin einer kürzlich veröffentlichten Studie, wollte herausfinden, ob dieses Phänomen auch bei Essstörungen eine Rolle spielt.  

Im Mausmodell konnten die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie die Aktivierung der zentralen Stressantwort während einer fortgeschrittenen Schwangerschaft biologisch nachbilden. Dann testeten sie, ob die Nachkommen während der Pubertät anfällig für Heißhungerattacken waren. Sie stellten fest, dass weibliche Nachkommen von Mäusen, die während der Schwangerschaft gestresst waren, eher Fressattacken entwickelten als weibliche Nachkommen nicht gestresster Mäuse.

Schroeder erklärt: „Nun wollten wir wissen, wie Stress genau Heißhungerattacken verursacht. Wir haben herausgefunden, dass viele Moleküle im Hypothalamus der betroffenen Nachkommen epigenetisch verändert waren. Diese Programmierung während der Schwangerschaft führt jedoch nicht immer zu gestörtem Essverhalten. Erst wenn während der Pubertät bestimmte Auslöser auftreten, machen sich die bereits durch pränatale Programmierung gegebenen Veränderungen bemerkbar.“

Alon Chen, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, ist sehr erfreut über die Resultate seiner Forschungsgruppe: „Das Bemerkenswerteste an der Studie ist, dass wir den Ausbruch von Heißhungerattacken vollständig unterbinden konnten, indem wir den heranwachsenden Mäusen eine ausgewogene Diät verabreichten.“ Chen fügt hinzu: „Diese Studie ist der Beweis dafür, dass Heißhungerattacken eine pränatale Programmierung zugrunde liegt. Außerdem gibt sie uns einen entscheidenden Einblick in ein bislang sehr vernachlässigtes Forschungsgebiet.“

AS/EF

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