Forschung Genomik komplexer Erkrankungen

Die immer kompliziertere funktionelle Annotation des menschlichen Genoms bietet eine einzigartige Möglichkeit, Erkrankungen komplexen genetischen Ursprungs zu verstehen. Jüngste Forschungsergebnisse der Genombiologie haben die Bedeutung genetischer und epigenetischer Informationen für die Erklärung der Pathologie von Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und psychiatrischen Erkrankungen klar unter Beweis gestellt. Diese Krankheiten werden nicht durch einen einzelnen Faktor verursacht, sondern vielmehr durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener genetischer und umweltbedingter Einflüsse. Unser Verständnis für den molekularen Ursprung und das Fortschreiten dieser Erkrankungen ist nach wie vor begrenzt und stellt eine der aktuell größten Herausforderungen der modernen biomedizinischen Forschung dar.

Die Behandlung dieser Krankheiten ist besonders schwierig, da sie durch Polygenie und ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster genetischer, epigenetischer und umweltbedingter Faktoren verursacht werden. Dieses Phänomen tritt häufig bei psychiatrischen Erkrankungen auf. Über die molekularen Determinanten ist wenig bekannt. Daher liegt das Hauptaugenmerk unserer Forschung auf der Frage, wie viele genetische und umweltbedingte Risikofaktoren zusammenwirken, um eine begünstigende molekulare Umgebung zu schaffen, die der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen, wie z.B. der Schizophrenie, den Nährboden bereitet.
 
Zur Bewältigung dieser Herausforderungen entwickelt das Labor für Genomik komplexer Erkrankungen (Forschungsgruppenleiter Dr. Ziller) systemgenomische Ansätze, um unter Verwendung von in vitro Differenzierungsmodellen humaner pluripotenter Zellen die genetische und epigenetische Architektur komplexer (Krankheits-)Phänotypen zu analysieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Schizophrenie.Die Schizophrenie (SCZ) ist mit einer Häufigkeit von etwa 1% der Bevölkerung eine der schwerwiegendsten Erkrankungen des Nervensystems. Trotzdem ist wenig über die genauen molekularen Mechanismen bekannt, die zur Entstehung und zum Fortschreiten der Erkrankung führen. Die hohe Erblichkeit (~80%) liefert gute Ansätze zur Erforschung der Biologie der SCZ. Genomweite Assoziationsstudien haben Tausende von genetischen Varianten identifiziert, die mit SCZ assoziiert werden. Diese Assoziationen in Erkenntnisse bzgl. der Krankheitsmechanismen zu übersetzen, ist für die SCZ, ebenso wie für die meisten anderen genetisch komplexen Erkrankungen, zu einer dringenden Herausforderung geworden. Gründe hierfür sind ihre wahrscheinlich polygene Architektur und die Tatsache, dass die meisten Varianten nur sehr geringe Effektstärken aufweisen.

Das Ziller-Labor analysiert die genetische Basis von SCZ, um durch die genetischen Assoziationen zu einem besseren Verständnis der molekularen Krankheitsmechanismen zu gelangen.
Zur Umsetzung dieses Ziels verfolgen wir die Hypothese, dass die Pathologie von SCZ durch das Zusammenspiel vieler häufiger und selten vorkommender genetischer Varianten bedingt ist, die in neuronalen Zellpopulationen ihre Effekte entfalten.

Um diese Hypothese zu testen, verwenden wir einen stark interdisziplinär geprägten Ansatz, der auf pluripotente stammzellenbasierte neurale Differenzierungsparadigmen (Ziller et al. Nature 2014, Gifford* & Ziller* et al. Cell 2013), patientenspezifische iPSCs, funktionelle (epi-)genomische Ansätze (ChIP-Seq, high-throughput genetic screens) (Cacchiarelli*, Trapnell* & Ziller* et al. Cell 2015, Galonska* & Ziller* et al., Cell Stem Cell, 2015, Ziller et al., Nature 2013, Ziller et al., PLoS Genetics 2011) und computerbasierte Modellierungsstrategien (Ziller et al. Nature 2014) zurückgreift.

Mithilfe dieses Forschungsansatzes und durch die Identifikation molekularer und makroskopischer Phänotypen in krankheitsrelevanten Zellpopulationen möchten wir herausfinden, inwiefern die Kombination vieler genetischer und epigenetischer Veränderungen zur Entstehung und zum Fortschreiten psychiatrischer Erkrankungen wie der Schizophrenie führen kann.

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