Neurobiologie der Stressresilienz

Neurobiologie der Stressresilienz

Mit Stress im Zusammenhang stehende Krankheiten, allen voran die Depression, beeinträchtigen die Lebensqualität von mehr als einer Milliarde Menschen weltweit. Es ist heutzutage unbestritten, dass Umweltfaktoren wie akute traumatische Erfahrungen oder chronischer Stress maßgeblich an der Entstehung von Depressionen beteiligt sind. Andererseits ist noch weitgehend unbekannt, wie sich spezifische genetische Varianten oder Umwelteinflüsse auf die Anfälligkeit eines Menschen für umweltbedingte Herausforderungen auswirken.
Das Hauptaugenmerk unserer Forschungsgruppe liegt auf der Untersuchung des Einflusses von akutem und chronischem Stress auf den Körper während verschiedener Entwicklungsstadien. Insbesondere sind wir an den verhaltensbiologischen, neuroendokrinen und molekularen Grundlagen der individuellen Anfälligkeit für bzw. Widerstandsfähigkeit gegen Stress interessiert.
Zu diesem Zweck verwenden wir ein breites Spektrum von Ansätzen, die von verschiedenen akuten oder chronischen Stressmodellen über genetisch veränderte Tiere bis hin zu pharmakologischen oder optogenetischen Manipulationen reichen. Mit der Kombination von modernsten verhaltensbiologischen, neuroendokrinen und molekularen Techniken können wir neue pharmakologische oder genetische Ansätze entwickeln, um die individuelle Stressanfälligkeit zu modulieren oder daraus entstandene Erkrankungen zu behandeln.

Obwohl bekannt ist, dass genetische Veränderungen einzelne Personen dazu prädisponieren können, anfälliger für durch Stress ausgelöste Krankheiten zu sein, bleibt die Art dieser genetischen Veränderungen weitgehend unklar. Während einige Menschen anfällig für Stress sind, zeigen andere eine bemerkenswerte Belastbarkeit gegenüber widrigen Umständen. Unsere bisherigen Forschungsergebnisse zeigen, dass spezifische genetische Variationen die Empfindlichkeit gegenüber Stress in Abhängigkeit der bisherigen Stresserfahrungen des Einzelnen beeinflussen (Fig. 1). Das bedeutet, dass die meisten häufig vorkommenden genetischen Varianten (Polymorphismen) wahrscheinlich sowohl vorteilhaft als auch nachteilig in Bezug auf Stress-assoziierte Erkrankungen sein können. Unsere Forschung konzentriert sich daher darauf, diese komplexe Gen-Umwelt-Interaktion aufzuklären. Um dieser Problematik auf den Grund zu gehen, verwenden wir zwei unterschiedliche Ansätze:

(1) Untersuchung von Kandidatengenen

Klinische Studien in depressiven Patienten konnten eine Reihe von Kandidatengenen identifizieren, welche direkt oder indirekt zu der Erkrankung beitragen. Transgene oder konditionale knockout Mausmodelle dieser Kandidatengene werden in unserer Arbeitsgruppe verschiedenen Paradigmen von widrigen Umweltreizen unterworfen (postnatales Stressparadigma, chronischer Stress bei jugendlichen und ausgewachsenen Tieren etc.). Alternativ werden die Kandidatengene direkt genetisch (z. B. durch Verwendung viraler Vektoren) oder pharmakologisch moduliert. Mit diesen Ansätzen testen wir die Hypothese, dass eine unterschiedliche Expression dieser Gene die Sensitivität gegenüber Stress moduliert. Eine erhöhte Stressempfindlichkeit und ein damit einhergehender krankheitsrelevanter Phänotyp würden dann entweder bei einem häufig wechselnden Stressniveau während der frühkindlichen und adulten Entwicklung auftreten (Mismatch) oder nach wiederholter Stressexposition.

(2) Screening Ansätze

Komplexe Tiermodelle für Stressanfälligkeit bzw. Widerstandsfähigkeit gegen Stress werden von uns verwendet, um neuartige molekulare Marker zu identifizieren, die an Stressanfälligkeit und an stressbedingten Erkrankungen beteiligt sind. Die aus Screening Ansätzen (Microarray, Next Generation Sequencing, Proteomics etc.) resultierenden neuen Kandidatengene oder Signalkaskaden werden dann im Detail weiter untersucht und mit den Befunden aus klinischen Datenbanken überprüft.

Unser übergreifendes Ziel ist es, die molekularen Grundlagen für Stressanfälligkeit zu verstehen und dabei die Möglichkeit zu schaffen, Stress-assoziierte Erkrankungen effektiv vorherzusagen, zu verhindern und zu behandeln. Dabei profitieren wir vor allem von den interdisziplinären Forschungsansätzen an unserem Institut, wodurch klinische Forschung mit der Grundlagenforschung verknüpft wird.

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